Alles für die Effizienz:
Die Besonderheiten moderner Gebäudetechnik — Teil 1

Früher war die Welt einfach. Die Heizung bollerte was das Zeug hielt, und wenn es zu warm wurde hat man die Fenster aufgemacht. Beliebt war auch die Kombination laufende Heizung plus gekipptes Fenster — frische Luft und Wärme zugleich, Temperaturregelung durch Öffnen der Fenster. Effizient geht anders! Am meisten Energie spart wer gar nicht heizt. Diese Option hatten wir aber recht schnell verworfen 🙂

Beim Heizsystem für unser Haus hatten wir uns nach reiflichen Überlegungen für eine Luftwärmepumpe (LWP) entschieden (vgl. Beiträge vom 19. April 2011 und 01. Mai 2012). Im ganzen Haus liegt Fußbodenheizung (FBH), ergänzt wird diese durch eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung (KWL). Die Wärmepumpe, eine Novelan LIC10e ist ein sog. Kompaktgerät, das komplett im Haus aufgestellt wird und weitgehend geräuschlos zu Werke geht. Bei der KWL handelt es sich um eine Zehnder ComfoAir 550.

Wie die einzelnen Komponenten funktionieren ist vielfach beschrieben, daher möchte ich vor allem meine konkreten Erfahrungen im Alltag schildern. Denn es gibt definitiv den ein oder anderen „Aha-Effekt“ und man muss sich von einigen Gewohnheiten verabschieden.

1. Warmer Boden und dazu ein Handtuchheizkörper

Moderne Heizungen sind als Niedertemperatursysteme mit großen Wärmeabgabeflächen und niedrigen Heizwassertemperaturen ausgelegt. Das bedeutet, dass die Vorlauftemperatur — also die Temperatur des Wassers, welches in den Heizkreislauf geschickt wird — bei 30 — 35°C liegt. An der Oberfläche des Bodens erreicht man damit höchstens 27° – im tiefsten Winter wohlgemerkt, denn die Steuerung der Vorlauftemperaturen erfolgt in Abhängigkeit von der Außentemperatur.
Entsprechend fühlt sich die Oberfläche des Bodens, z.B. die Fliesen im Bad, i.d.R. nicht warm sondern bestenfalls „temperiert“ an. Weiterhin ist der Betrieb einer Luftwärmepumpe vor allem dann effizient, wenn auf einen langen Heiz-Takt eine lange Pause folgt. Während der Pause durchströmt das Wasser die Heizschleifen dann mit nur noch 22-27° – je nach Außentemperatur. Dass sich diese Wassertemperatur alles andere als „warm“ anfühlt dürfte klar sein. Das betrifft natürlich die durchströmten Flächen ebenso wie einen evtl. verbauten Handtuchheizkörper, der über den FBH-Kreislauf versorgt wird.

Erste Erkenntnis: Es ist nicht Aufgabe einer Heizung den Boden zu wärmen, sondern die Raumtemperatur auf Wunschniveau zu halten. Das funktioniert in gut gedämmten Häusern ohne Gefahr von Venenleiden, denn: wenig Energieverlust bedeutet wenig Heizleistung und ergo kaum spürbar erwärmte Fliesen.

2. Nachts kühl, tagsüber warm

Flächenheizungen im Niedertemperaturbetrieb sind sehr träge und schwer zu regeln. Daher ist es weder möglich, große Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht in ein und demselben Raum zu erzeugen, noch zwischen nebeneinanderliegenden Räumen.
Die Trägheit resultiert aus dem Funktionsprinzip: das warme Wasser heizt über einen längeren Zeitraum v.a. die Estrichmasse auf, die als Wärmespeicher fungiert. Anschließend wird die gespeicherte Wärme über einen mindestens ebenso langen Zeitraum als Strahlungswärme wieder abgegeben. Es liegt auf der Hand, dass mehrere Tonnen Estrichmasse nicht abkühlen, nur weil man am Thermostat dreht (dazu gleich mehr). Die gute Wärmedämmung der Wände und Fenster sowie die insgesamt sehr dichte Gebäudehülle sorgen dafür, dass das Haus über die Außenhülle sehr wenig Wärme verliert.
Und auch die KWL trägt ihren Teil dazu bei: mit Hilfe eines Kreuzwärmetauschers wird der Abluft Wärme entzogen und an die Zuluft abgegeben. Damit hat die Frischluft, die über Kanäle im Boden ins ganze Haus verteilt wird, nur etwa 2° weniger als die Raumluft. Das Ergebnis sind relativ gleichbleibende Temperaturen im ganzen Haus bei geringen Unterschieden in den einzelnen Räumen: unsere Bäder haben etwa 23°, die Wohnräume ca. 22,5°, die Kinderzimmer 21°, unser Schlafzimmer ca. 20°.

Zweite Erkenntnis: schlafen bei 16° und 24° im Badezimmer nebenan funktioniert nicht. Muss auch gar nicht sein. Wir empfanden diese konstanten Bedingungen nach kurzer Eingewöhnungszeit als äußerst komfortabel und möchten sie nicht mehr missen.

3. Temperaturregelung mittels Thermostat

Thermostat auf, Heizung an, Thermostat schließen, Raum kühlt ab. So normal das vielleicht klingt — es funktioniert bei einem Niedertemperatursystem nicht (mehr). Bzw. würde man den Effekt erst nach 24-48 Stunden merken, was ja nicht Sinn und Zweck dieser Übung wäre. Die grundsätzliche Trägheit des Systems hatte ich oben bereits beschrieben. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Hydraulik des Rohrleitungssystems der FBH. Die Thermostate bzw. Einzelraumregelung (ERR) sollte nicht dazu verwendet werden, die Grundtemperatur in den einzelnen Räumen zu regulieren. Das muss ein sog. hydraulischer Abgleich erfüllen. Darüber wird die Durchflussmenge in den einzelnen Räumen geregelt, so dass sich dort die Wunschtemperatur einstellt. Sind diese Einstellungen vorgenommen wird die Heizkurve so lange gesenkt, bis bei voll geöffneten Thermostaten in allen Räumen „Wohlfühltemperatur“ herrscht.
Das Herausnehmen eines einzelnen Raumes durch Schließen des Thermostatventils würde die Hydraulik des Gesamtsystems durcheinanderbringen und den Volumenstrom buchstäblich abwürgen.

Dritte Erkenntnis: In einem gut gedämmten Neubau mit Flächenheizung und niedrigen Systemtemperaturen sind die Thermostate meistens überflüssig. Leider ist deren Einbau aber von der EnEV vorgeschrieben 🙁

Teil 1 impliziert, dass es eine Fortsetzung gibt. Und in der Tat – ein paar weitere Eigenheiten habe ich noch. Mehr dazu in Kürze!

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